Das heutige Europa, vor allem die EU, prägt unser Leben. Grund genug, es zu studieren — seine Wirtschaft, seine Politik, sein Recht, seine Kultur.
Report Europa-Studiengänge
Wenn jemand wie der Luxemburger Jean Asselborn über 19 Jahre Außenminister war, sollte man ihm zuhören. Etwa, wenn er sagt: „Wir können froh sein, dass es die EU noch gibt.“ In der Tat war sie schon manchmal gefährdet, hat sich jedoch immer wieder bekrabbelt. Etwa nachdem der EU-Verfassungsvertrag 2005 an Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden scheiterte. Dann die Finanz- und Eurokrise, als einige meinten, Griechenland müsse die EU verlassen. Oder der Brexit, als mit Großbritannien ein wichtiger Staat überraschend seinen Abschied nahm.
Auch an Feinden hat es der EU nie gemangelt. Man denke nur an Ungarns Regierungschef Orbán, ein Putin-Verehrer, der Europa nur als Geldautomaten sieht, den man beliebig anzapfen kann. Der sich jedoch ebenso wenig um die Grundwerte der EU schert wie die polnische PiS-Partei mit ihrem Chef Jaroslaw Kaczynski, die zuletzt acht Jahre an der Regierung war. Nicht nur Jean Asselborn ist der Ansicht, dass man Ungarn kurzerhand aus der EU werfen sollte. Die einen meinen, das sei leider nicht möglich. Andere sehen das anders und wollen die Verträge mit dem Land aufgrund des Rechtsprinzips Wegfall der Geschäftsgrundlage kündigen. Danach könne das Land ja versuchen, sich beim Europäischen Gerichtshof wieder in die EU einzuklagen.
Europa ist ein komplexes Phänomen. Wie es funktioniert und was es im Inneren zusammenhält, erfährt man an der Uni Bamberg im Bachelor- und Masterstudium „European Economic Studies“, verspricht Prof. Marco Sahm. Die Jobaussichten sind auch gut. Weiter ...
Auch mit der Aufnahme einiger Balkanstaaten wie Serbien könnte Unheil drohen. Nicht zuletzt, weil sie sich gern eng an Russland anlehnen, dessen Bestreben es seit langem ist, Unruhe und Spaltung in die EU zu tragen. Nicht anders als China, das dazu bereits vor Jahren die Kooperation 16+1 gegründet hat. 16 steht für mittel- und osteuropäische Staaten, 1 steht für China. Man trifft sich jährlich und bespricht gemeinsame wirtschaftliche und politische Interessen. Manchmal waren es auch 17 Staaten, derzeit sind es nur noch 14, da Estland, Litauen und Lettland Chinas Absichten durchschaut haben und ausgetreten sind. Tschechien bezeichnet sich seit Januar 2023 als inaktives Mitglied.
Doch die EU hat weltweit auch viele Freunde und sogar ausgesprochene Verehrer. So fragte sich die ASEAN (Association of Southeast Asian Nations) immer wieder, ob man sich nicht zu einer asiatischen EU umformen sollte. Auch in Lateinamerika, in der Karibik und in Afrika gab es ähnliche Bestrebungen. Was die EU für die Welt so attraktiv macht, ist einmal, dass sie — oder genauer gesagt: ihre Vorgänger Montanunion, Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und Europäische Gemeinschaft (EG) — nach dem Zweiten Weltkrieg ein Friedensprojekt waren, das bis heute erfolgreich ist, auch wenn durch den Angriff Putins auf die Ukraine wieder ein Krieg auf europäischem Boden stattfindet. Der Erfolg ist vor allem der Idee der Gründungsväter Europas zu verdanken, die Länder wirtschaftlich zu verflechten. Denn auf Nachbarn, die auch Kunden sind, schießt man nicht, wie es zuvor ständig geschah und Europa es zum blutdurchtränktesten Kontinent gemacht hat. Der zweite Pluspunkt der EU ist ihre wirtschaftliche Stärke. Die 27 EU-Länder bringen nach den USA (25,4 Bill. Dollar) und China (17,8 Bill.) mit 15,8 Bill. Dollar das drittgrößte BIP auf die Waage. Wäre Großbritannien noch in der EU, würde sie Rang 2 einnehmen.
Schließlich hat sich der Euro allen Unkenrufen zum Trotz zu einer stabilen Währung entwickelt, womit er den bisherigen geschichtlichen Erfahrungen widerspricht, dass jede Währungsunion irgendwann scheitert. Dass der Euro abgeschafft werden müsse, war sogar die Gründungsidee der AfD unter ihrem Initiator, dem Ökonomen Bernd Lucke.
Vor allem rechtspopulistische Parteien wie Marine le Pens Rassemblement National oder die postfaschistische Partei Fratelli d’Italia von Regierungschefin Georgia Meloni sind oft ausgesprochene EU-Gegner, wobei sich bei Meloni möglicherweise ein Gesinnungswandel vollzieht. Die EU hat also nicht nur äußere Feinde wie Russland und China, die beide der alten römischen Strategie „divide et impera“ anhängen, sondern auch innere.
Die große Frage ist, wie es mit Europa weitergehen soll. Hat es noch Ziele wie die „Vereinigten Staaten von Europa“? Allein beim Aussprechen des Namens rötet sich die Gesichtshaut rechtsnationaler Politiker. Denn sie wollen nicht mehr Souveränitätsrechte an einen Zentralstaat abgeben, sondern abgetretene zurückholen.
Damit lässt sich nur schwer mithalten: Das College of Europe wurde bereits 1949 gegründet, womit es die älteste Institution für Europastudien ist. Weiter ...
Doch die Welt wandelt sich derzeit in hohem Tempo. Bisherige Hoffnungen, dass sie immer friedlicher wird, lösen sich in Luft auf. Das ist eine der bitteren Lektionen, die Putin gerade der Menschheit verpasst. Und der unsägliche Nahost-Konflikt zeigt, wie Religionen und die Idee des Nationalstaates — nach Ansicht vieler sind sie die Hauptursachen der meisten Kriege — immer noch Schreckliches hervorrufen können.
Da Europa im Kern ein Friedensprojekt ist, tun sich die meisten überzeugten Europäer schwer mit dem Gedanken, dass ihr Kontinent jetzt aufrüsten soll, um Kriegverbrechern wie Putin künftig etwas entgegensetzen zu können. Bislang hatte man das Glück, dass es vor allem die USA sind, die ihre schützenden Flügel über dem Kontinent ausbreiten, wenn auch auf dem Umweg über die NATO, die vor allem von den USA getragen wird. Wie wichtig die USA bis heute für Europa sind, zeigt allein die Tatsache, dass die Ukraine längst von Russland überrollt wäre, würde sie nicht von Amerika militärisch und finanziell enorm unterstützt werden. Die EU allein hätte das nicht verhindern können. Europa wird also ein Respekt einflößendes Militär aufbauen müssen, denn allein die Stellung einer wirtschaftlichen Supermacht reicht bei harten Konfliktfällen nicht aus, den Gegner abzuschrecken.
Keine Gefahr für Europa droht von Unabhängigkeitsbewegungen wie denen in Schottland oder Katalonien. Die Schotten waren vom Brexit regelrecht entsetzt. Die Mehrheit will nach einer möglichen Trennung vom Vereinigten Königreich sofort in die EU zurückkehren. Und katalanische Politiker haben immer wieder erklärt, dass sie hinter der EU stehen.
Die EU ist als Zollunion mit einer Einheitswährung, die fast alle Mitgliedsländer übernommen haben, auch ein wirtschaftliches Experiment, das bisher auffallend gutgeht. Dazu tragen die vier Grundfreiheiten bei: freier Personenverkehr, Dienstleistungsverkehr, Waren- und Kapitalverkehr.
Hinzu kommt, dass die Europäische Union auch ein kulturelles Experiment ist. Viele Nationen mit unterschiedlicher Geschichte, Sprache, mit unterschiedlichen Gebräuchen und unterschiedlicher Mentalität sind gemeinsam in die Zukunft aufgebrochen. Das hat es bis heute in diesem Umfang noch nicht gegeben.
Wird das alles gutgehen? Das hängt vor allem davon ab, ob die Jugend des Kontinents bereit ist, das Experiment fortzusetzen. Spricht man mit ihr, finden es alle toll, dass man uneingeschränkt kreuz und quer durch Europa reisen kann, ohne vor Schranken zu stehen und seinen Pass vorzeigen zu müssen. Auch der Euro wird allgemein geschätzt, da er das Reisen ebenfalls einfacher macht.
Dass das europäische Bewusstsein der Jugend steigt, ist auch ein Ziel der Studiengänge zu Europa, zur europäischen Wirtschaft, Politik und Kultur. Sie heißen alle ein bisschen anders, doch es geht immer um dasselbe: Das neue Europa mit all seinen Facetten besser kennenzulernen. Seine Grundideen, seine Geschichte, seine Wirtschaft, seine Politik, sein Recht und oft auch seine unterschiedlichen Kulturen. Und seine Probleme und die Gefahren, in denen es bereits schwebte.
Ein solch zivilisatorisches Großprojekt, bei dem sich die Länder sogar verpflichtet haben, sich einem einheitlichen europäischen Recht und einem obersten europäischen Gerichtshof zu unterwerfen, ist ein einmaliges Studienobjekt, das Wissenschaftler vieler Disziplinen beschäftigt, nicht nur in Europa. Denn nach wie vor ist nicht ausgeschlossen, dass hier ein Modell entsteht, das eines Tages auch anderen Regionen der Welt als Vorbild und Muster dient. Wenn Europa auf diese Weise der Welt Frieden und vielleicht auch Wohlstand bringt, wäre es fast so etwas wie eine kleine Wiedergutmachung für die vielen Jahrhunderte, in denen die Europäer als Kolonialmächte andere Länder unterjochten und ausraubten.
Wer sich nach einem europäischen Studiengang in Deutschland umsieht, wird unweigerlich auf diese stoßen: Da ist zum einen der englischsprachige Masterstudiengang „European Studies“ des International Graduate Center der Hochschule Bremen. Er setzt einen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften, Politik, Recht oder anderen Sozialwissenschaften und in der Regel ein Jahr Berufserfahrung voraus. Beruflich bieten sich danach Positionen in europäischen Institutionen, im diplomatischen Dienst oder im öffentlichen Sektor der Mitgliedstaaten an.
Beim Masterstudium „Interdisziplinäre Europastudien“ der Uni Augsburg geht es um Europa in seiner ganzen Komplexität, wobei Wirtschaft nur ein kleiner Teil davon ist. Ein sehr umfassender Ansatz, der den Studierenden einiges abverlangt. Auch der Masterstudiengang „European Culture & Economics“ der Uni Bochum setzt weites Interesse und ganzheitliches Denken voraus. Denn er zeigt auch die Vielfalt der europäischen Kultur. Wer im Studium vor allem die wirtschaftlichen Aspekte kennenlernen möchte, ist mit dem Bachelor- und Masterstudium „European Economic Studies der Uni Bamberg gut beraten.
Eine Sonderstellung nimmt das College of Europe im belgischen Brügge und im polnischen Natolin ein. Auch in Albaniens Hauptstadt Tirana wird ein Campus unterhalten. Hier finden Europa-Fans ein reiches Angebot an Studiengängen, die keinen Wunsch offenlassen.
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