Berufsreport Selbständigkeit
Jede Volkswirtschaft braucht Entrepreneure. Je mehr, desto besser.
Wer denkt, das wäre etwas für ihn, der sollte es versuchen.
Manchmal braucht es tatsächlich eines Rucks, eines Anstoßes von außen, damit man in die Gänge kommt. Das gilt bei kleinen und bei großen Dingen. So auch beim Sprung in die Selbständigkeit.
Denn nicht jeder, der eigentlich das Zeug dazu hat, traut sich. Manchmal fehlt es an Selbstbewusstsein, manchmal regiert die Angst vor dem Versagen, oder man wird von schlechten Nachrichten demotiviert. Wie von der, dass neun von zehn Firmengründungen scheitern. Ob das stimmt, sei mal dahingestellt. Aber natürlich gibt es keine Garantie, dass es klappt. Manche entmutigt das von vornherein, bei anderen sorgt es für eine Portion extra Ehrgeiz. Ganz nach dem Motto: Das wollen wir doch mal sehen!
Jedenfalls ist klar: Selbständig werden hat viel mit Psychologie zu tun. Mit der Persönlichkeit und dem Charakter, mit positivem und negativem Denken. Aber auch mit der Umwelt: Kommt man aus einer Unternehmerfamilie, ist einem unternehmerisches Denken wahrscheinlich vertrauter, als wenn alle oder die allermeisten aus der Verwandtschaft ihren Lebensunterhalt mit einem Angestelltenjob verdienen. Oder wenn man einen guten Freund hat, der einmal auf die Nase gefallen ist und einem ständig die Hucke volljammert, wie ungerecht die Welt ist und wie sehr man ihn gelinkt habe.
Es ist schon richtig: Als Unternehmer sollte man psychisch ziemlich stabil sein und sich nicht so schnell ins Bockshorn jagen lassen. Ein bisschen Draufgängertum schadet auch nicht. Jedenfalls sollte man sich nicht in den Sumpf von Wenn-und-Aber ziehen lassen, sondern eine gewisse Entscheidungsfreude mitbringen. Denn es gibt immer Gegenargumente, nichts ist perfekt.
Was jedoch nicht bedeutet, dass Entrepreneure Hasardeure sind. Keinesfalls. Meist können sie sogar ganz gut rechnen und erkennen schnell die Vor- und Nachteile einer Sache. Sie wissen aber auch: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Einen gewissen Nervenkitzel wissen sie also durchaus zu schätzen, er hält sie wach und treibt sie oft an, die Extrameile zu gehen.
A.S.I. Wirtschaftsberatung
A.S.I. hat sich auf die Wirtschaftsberatung von Medizinern, Ingenieuren, Wirtschaftlern und Lehrern spezialisiert. Das Traineeprogramm bereitet auf die Tätigkeit vor. Sie verspricht ein hohes Einkommen, meint Oliver Weber, der die Ausbildung betreut.
Manch ein Absolvent wäre gern selbständig, traut sich wegen des Risikos jedoch nicht.
Weber: Unsere Lösung lautet: „geschützte Selbständigkeit“ mit Festbezügen und ohne eigene Investitionen in den ersten 24 Monaten.
Wie wird man unterstützt?
Weber: Als Erstes durchlaufen Sie eine viermonatige Trainee-Ausbildung, an deren Ende die gesetzlich vorgeschriebene IHK-Prüfung zum Versicherungsfachmann beziehungsweise zur Versicherungsfachfrau steht.
Also noch eine Prüfung nach dem Examen?
Weber: Den meisten fällt das relativ leicht, da sie dank des gerade abgeschlossenen Studiums mit all seinen Prüfungen noch in Übung sind. Später tut man sich mit dem Lernen oft schwerer.
Kann man dabei durchfallen?
Weber: Bisher haben alle bestanden.
Wie geht es dann weiter?
Weber: Nach den vier Monaten folgt bis zum 24. Monat ein Training-on-the-job als Junior-Berater in einer unserer Geschäftsstellen. Jetzt wird man von erfahrenen Wirtschaftsberatern und Gesellschaftern betreut und in der Zentrale weiter ausgebildet. Man lernt das ganze Spektrum dieser Tätigkeit kennen, das bei den komplexen Fragen, die mit den privaten Finanzen verbunden sind, sehr groß ist. Dazu gehören nicht nur viele Versicherungsaspekte, sondern etwa auch die betriebswirtschaftliche Führung einer Arztpraxis, betriebliche Altersvorsorge, Kapitalanlagen, Immobilienfinanzierung und vieles mehr.
Wie sieht die finanzielle Seite während der Ausbildung aus?
Weber: Wir übernehmen alle Kosten der Traineeausbildung, unter anderem Hotelkosten. Zudem erhält man monatlich 2.500 Euro, die nicht zurückgezahlt werden müssen, noch mit späteren Einkünften verrechnet werden. Hinzu kommen Vergütungen aus Umsätzen mit Mandanten, sodass nach zwei bis drei Jahren im Schnitt 58.000 Euro pro Jahr erzielt werden. Schließlich hat man nach der Traineezeit in Münster Anspruch auf ein komplettes Büro in der Geschäftsstelle mit Sekretariatsunterstützung, muss also nicht selbst investieren.
Das Anfangsrisiko, das mancher scheut, wird also weitgehend abgepuffert.
Weber: So kann man sagen.
Haben bei Ihnen auch Bachelor eine Chance?
Weber: Ja, sie haben später sogar die Möglichkeit, einen berufsbegleitenden Masterstudiengang mit der Vertiefungsrichtung Sales Manager an der Fachhochschule für Ökonomie und Management, der FOM, zu belegen. Auch diese Ausbildung unterstützen wir finanziell.
An wen richtet sich Ihr Angebot in erster Linie?
Weber: An Wirtschaftswissenschaftler jeder Couleur, vom Betriebswirt bis zum Wirtschaftspädagogen und Wirtschaftsingenieur, aber auch an Juristen und andere Akademiker.
Was ist außer Fachwissen noch erforderlich?
Weber: Man muss auf Menschen zugehen und Vertrauen schaffen können, was Kompetenz und Zuverlässigkeit erfordert. Die Belohnung sind oft jahrzehntelange Kundenbeziehungen und ein sechsstelliges Einkommen.
Häufig wird gefragt, ob man Unternehmertum lernen kann, etwa so wie eine Fremdsprache. Oder ob es ein gewisses Talent erfordere, ob es so etwas wie ein Unternehmer-Gen gebe. Wahrscheinlich ist alles ein bisschen richtig. Man kann sich notwendige Kenntnsse zulegen, Talent schadet sicher nicht, und wenn man aus einer Unternehmerfamilie kommt, kann das — wie gesagt — eventuell helfen. Aber Achtung: Es gibt auch Unternehmerkinder, die in dieser Richtung nichts gebacken bekommen, sondern eher ein Talent haben, die Dinge zu zerstören.
Manch einer kommt auch auf die Idee, seine Abschlussarbeit bei einem Professor zu schreiben, der an der Hochschule für das Fach „Entrepreneurship“ zuständig ist. In der Hoffung, hinterher so etwas wie ein „diplomierter Unternehmensgründer“ zu sein. In der Regel läuft das aber nicht. Allerdings: Wenn man an dem Lehrstuhl Leute kennenlernt, die schon eine Gründung durchgezogen haben, kann das durchaus helfen.
Womit wir bei Vorbildern sind. Die haben meist eine wichtigere Funktion als das zehnte Buch zum Thema „Wie entdecke ich den Entrepreneur in mir“. Zumal wenn es Vorbilder zum Anfassen sind, die nicht nur vorn am Pult einen Vortrag halten, sondern mit denen man sich intensiv unterhalten kann, die persönlich auf einen eingehen und auch nicht mit Ratschlägen knausern.
Denn neben „Learning by doing“ gibt es auch „Learning by copying“. Wobei eine kleine Warnung angebracht ist. Nicht alles lässt sich einfach so kopieren. Und oft sind Situationen so unterschiedlich, dass es keineswegs garantiert ist, dass etwas, das im Fall A funktionierte, auch im Fall B funktioniert. Das ist auch das Dilemma bei Fallstudien. Sie zeigen einem, was alles möglich ist, eignen sich jedoch keinesfalls immer als Blaupause. Letztlich muss man seinen eigenen Weg finden, Ratschläge sollte man sich jedoch immer anhören.
Wer ein Unternehmen gründen will, sieht sich anfangs tausend Fragen gegenüber. Ist das Geschäftsmodell vielversprechend, wie schreibt man einen Business Plan, wie finanziert man das Ganze, soll man es allein machen oder braucht man einen Partner? Welche Rechtsform ist die beste? Soll man gleich in die Vollen gehen oder erst klein anfangen? Wo holt man sich Rat? Wer ist kompetent und wer nur ein Schwätzer oder Besserwisser? Wem kann man vertrauen? Und überhaupt: Soll man sich nicht erst einmal einen Job als Angestellter suchen, Erfahrungen in der Wirtschaft sammeln, um dann später — in ein paar Jahren — den Sprung zu wagen?
Viele Fragen, auf die es nicht die eine Antwort gibt. Man muss sie auch nicht alle auf einmal beantworten. Vieles ergibt sich von allein. Eine gewisse Planung ist sicher notwendig und gut. Vieles lässt sich jedoch nicht planen. Und im Vertrauen: Es gibt etliche sehr erfolgreiche Entrepreneure, die mit der Idee A anfingen, dann merkten, es läuft nicht, auf Idee B überschwenkten, die es aber auch nicht brachte, und irgendwann mit Idee D oder F erfolgreich wurden.
Wichtig ist, flexibel zu bleiben und nicht auf die dumme Idee zu verfallen, dass es nur so oder gar nicht geht. Das Leben und auch das Wirtschaftsleben ist vielfältiger, als sich manche vorstellen können. Davon kann nicht nur IBM, das mal mit dem Bau von Computern anfing und heute im Wesentlichen eine Beratungsfirma ist, ein Liedchen singen.
Entscheidend ist, dass man für alles offen bleibt, links und rechts schaut. Aber auch ein Näschen dafür entwickelt, ob eine Sache Zukunft hat oder nicht. Natürlich kann man sich täuschen, was noch längst nicht bedeutet, dass man verloren hat. „Okay, next“, sagt eine bekannte Filmproduzentin in Hollywood in diesen Fällen und ist gedanklich bereits beim nächsten Projekt. Genau das hat sie in dieser ziemlich irren Welt, in der unglaublich viele Verrückte und Möchtegerne unterwegs sind, erfolgreich gemacht. Wenn einem das hier gelingt, dann umso mehr in ruhigeren Branchen.
Jede Volkswirtschaft braucht dringend Firmengründer, je mehr, desto besser. Sie sind es letztlich, die die Wirtschaft in Gang halten, die neue Märkte schaffen und Menschen Arbeit geben. Zu gründen hat also auch ein bisschen was Heroisches an sich. Doch in erster Linie muss es einem Spaß machen. Man muss sich gut dabei fühlen. Es muss einem entsprechen. Ist das der Fall, ist die Grundlage für den Erfolg eigentlich schon gelegt.